"De nicht will dieken, de mut wieken"
( Wer nicht will deichen, der muß weichen)
Dieser Spruch unserer Vorfahren hat heute noch seine Gültigkeit!
Die ganze Woche hatten wir stürmisches Wetter mit Windstärken um 6-8 Bft. im Mittel aus Nord-West.
An diesem Wochenende dem 16.Februar 1962 legte der Sturm noch auf ca. Stärke 10 in Böe'n 12Bft.
und später dann auf einen ausgewachsenen Orkan zu und drückte gewaltige Wassermengen
in die Deutsche Bucht.
Analog auch in die Elbe- und Wesermündung.
Nichts ungewöhnliches für die Bewohner an der Küste.
Als Folge davon, die Schiffahrt war fast ganz zum Erliegen gekommen und hatte in den Häfen oder auf Reeden Schutz gesucht. .
Das abendliche Niedrigwasser war zudem höher als das normale Hochwasser aufgelaufen, da das Wasser nicht seewärts ablaufen konnte.
Zu diesem Zeitpunkt war ich zu Hause, derweil ich die Staatl. Seefahrtsschule in Cuxhaven
(Studiengang Nautik) besuchte, um mein Kapitänspatent zu erwerben.
Auch hier hatte der Sturm seine traurige Hand im Spiel.
Ein mitstudierender Kollege ist auf der Heimfahrt nach Schleswig-Holstein mit dem Auto tödlich verunglückt.
Wir wohnten Am Seedeich - Ecke Kasernenstr. in der ehem. Kaserne ( Ende der
90'er abgerissen
und auf dem Gelände stehen heute 2 moderne Eigentumswohnungsblocks ) direkt unterhalb des Deiches.
Wir, Schwiegereltern, meine Frau und ich schauten wie gewohnt Fernsehen.
Schwiegervater und ich hatten uns einen kleinen zur Brust genommen.
Da die Flasche leer war, ging ich in die Küche ( zum Deich gelegen ) um Nachschub zu holen.
Als ich aus dem Fenster zum Deich schaute, traute ich meinen Augen nicht,
denn da schwappte laufend etwas weißes über die Deichkrone und lief den Deich herunter.
Als ich es endlich realisiert hatte was die Ursache war ( Wasser und Schaum ), wurde es mir doch etwas mulmig zu Mute.
Nichts wie ins Wohnzimmer, Schwiegervater geholt und beratschlagt, was zu tun wäre.
In etwa gegen 2200 Uhr kam dann im Fernsehen die erste Warnmeldung einer schweren Sturmflut für die ges. Nordseeküste.
Meine Frau weckte unsere Tochter, zog sie an und verstaute die wichtigsten Papiere in eine Tasche.
Ich selbst lief zur Seefahrtsschule hoch, in der sich schon etliche
Lehrkräfte mit Fam. und Angehörigen versammelt hatten, um zu
erkunden, ob für den Notfall eine Bleibe für uns zur Verfügung stand.
Wieder zu Hause, zogen sich meine Frau und ich wetterfest an und gingen auf den Deich.
Was wir dann sahen, verschlug uns die Sprache, das Wasser stand ca. 1 m. unterhalb der Deichkrone.
Die Wellen brachen sich am und über dem Deich.
Die Bucht von der Kugelbake bis hin zur "Alten Liebe" war ein einziger brodelnder Hexenkessel.
Der Yacht- und Fährhafen existierte damals noch nicht, somit konnten die Wassermassen und Brecher ungehindert
gegen die ges. Deichfront anrollen.
Es herrschte ein Höllenspektakel, es rauschte, heulte, wimmerte, jaulte und wummerte,
zwischenduch auch kurze Momente der absoluten Stille, es war unheimlich.
Jedes mal wenn sich ein sog. Kaventsmann ( übergrosse Welle ) gegen und über den Deich schlug,
war ein lautes tiefes Wummern in der Luft und die Erschütterungen des Deiches in den Füßen zu spüren.
Im Bereich der Seefahrtsschule standen etliche Schaulustige, um sich das Schauspiel der Naturgewalt anzusehen und mitzuerleben.
Im Bereich der Klaus-Groth-Strasse hatte das überlaufende Wasser, trotz Sandsackbarrieren,
den Deich im landseitigen Bereich schon angefangen auszuwaschen und viel Erdreich abgetragen.
Die Helfer hatten auch hier wie anderswo alle Hände voll zu tun.
Dann kam die Hiobsbotschaft, eine Schute im Kugelbakehafen hätte sich losgerissen und trieb
auf die Grimmershörn-Bucht zu.
Die Wirkung wäre für die Bevölkerung und Cuxhaven katastrophal geworden, da sie wie eine Ramme auf
den Deich gewirkt und nicht aufzuhalten gewesen wäre.
Wo sie letztlich abgeblieben ist,
ist nicht bekannt, wahrscheinlich gesunken!
Dann machten wir uns auf den Weg Richtung "Alte Liebe", "Alter Hafen" auf dem Deich entlang
der damals noch parallel zur Strasse "Am Seedeich" verlief.
Der Parkplatz und die Verschwenkung zur Wetterwarte wurden erst 1964 im Zuge der neuen Deichbaumaßnahmen vollzogen.
Auf dem Deich an der Ecke beim -Hus op'n Diek - Donners Hotel- war dann Schluß.
Der Bereich Slippen - Alter Hafen war alles unter Wasser und die
Einsatzkräfte hatte alle Mühe die Sicherungen
aufrecht und dicht zuhalten.
In der Deichstrasse lief das Wasser im Bereich der ehem.
Mützelfeld-Werft ( heutige Marina ) auf voller Länge
über den Deich in die Stadt.
Die mittlerweile eingesetzten Bundeswehrsoldaten versuchten mit Sandsackbarrieren dem Wasser Herr zu werden.
Deichstrasse und Neue Reihe standen trotzdem voll Wasser.
Die im Hafen ansässigen Firmen und Betriebe waren durch nichts geschützt.
Maschinen, Waren, Naturalien
und alles Erdenkliche wurden vom Wasser vernichtet
oder unbrauchbar gemacht.
Manche Existenz war hart an der Grenze des Ruins
Auf den Rückweg nach Hause erzählten Passanten uns dann, daß ca. 1-1/2 Stunden vorher, Gäste von einer Feier im Seepavillion durch's Wasser
watend in Abendkleid und Smoking, gekommen sind.
Ausserdem fiel uns dann auf, daß der Wasserstand niedriger als vorher, obwohl noch kein Hochwasser war.
Die Erklärung, in der Oste und später dann in Hamburg waren die Deiche gebrochen.
Am nächsten Tag wurden dann die verheerenden Schäden und Verwüstungen an den Deichen und im Vorland erst
sichtbar, wobei Cuxhaven Glück im Unglück hatte und
verhältnismäßig wenig abbekommen hat.
Die Hochwassermarken der Sturmflut von 1962 kann man heute überall in der Stadt und den betroffenen Gebieten sehen.
Die Sturmflut vom 03.01 1976 lief zwar etwas höher auf, richtete aber beileibe nicht so große Schäden an.